Street Art Istanbul

Street Art Istanbul – Für das Stückchen Freiheit im Kopf

Die Türkei und ihre wunderschöne Hauptstadt Istanbul – da fällt wohl vielen vieles ein. Die netten Klischees vom Zauber des Orients, dem Urlaubsparadies, der aufregend-exotischen Atmosphäre auf den vielen Basare oder dem guten Essen. Aber auch (und das in der augenblicklichen Situation mit Sicherheit vermehrt) kulturelle Missverständnisse, politische Proteste, Internetverbote, ein merkwürdig agierender Ministerpräsident, der trotz einer für uns Europäer etwas gruseligen Sicht auf die Welt, jede Wahl  zu gewinnen scheint. Ja, wir Gewöhnlichen denken an viel, wenn es um Istanbul im Kleinen und die Türkei im Großen geht, doch so einiges kommt uns wahrscheinlich nicht in den Sinn. Die Rede ist von außergewöhnlicher Kunst und einer ambitionierten Künstlergemeinde, die auf beeindruckende Weise zeigt, dass Istanbul hinter jedem positiven oder negativen Vorurteil vor allem eines ist: eine Weltstadt zwischen den Kontinenten und Schmelztiegel für neue Ideen und alte Traditionen. Die Rede ist von Street Art, ja von Street Art in Istanbul!

Street Art – ein echtes Stück Istanbul

Street Art spaltet die Gemüter und zwar überall auf der Welt. Für die einen sind die Graffitis an Häusern, öffentlichen Verkehrsmitteln und unerwarteten Orten ein Ausdruck großer, innovativer Kunst und urbanen Lebens, für die anderen sind sie schlicht ein Ärgernis. Besonders, wenn es sich um politisch-motivierte Bilder handelt, schreien die einen nach neuer Fassadenfarbe, die anderen erfreuen sich an dieser stets neuen, künstlerischen Form der Meinungsfreiheit. In Istanbul gibt es viele Graffitis, sehr, sehr viele Graffitis. Nicht in den Prachtstraßen und Vierteln, umso mehr aber in den Hinterhöfen und den alten und neuen Baustellen der pulsierenden Stadt. Sie sind politisch, sie sind außergewöhnlich kreativ, sie erfinden sich ein jedes Mal neu und sie sind auf einem Niveau, das durchaus mit den Street Art Mekkas New York oder London mithalten kann.

 

Ein Street Art Festival für Istanbul

Der Street Art-Künstler, Radio-DJ und Video-Clip Regisseur Pertev Emre Taştaban rief 2009 das erste Street Art Festival Istanbuls ins Leben. Im Galata Viertel zeigten 45 verschiedene türkische Street Art Künstler und Musiker ihr Können. Nicht ohne gewollte Kontroversen wie schon der Titel „Metamorphosis“ erahnen ließ, gelang es Tastaban und seinen Mitstreitern ein beeindruckendes Festival auf die Beine zu stellen, dessen guter Ruf schnell bis nach Deutschland drang. Schon ein Jahr später waren deshalb auch deutsche Künstler unter den Anwesenden. Gemeinsam arbeitete man an dem Festivalprojekt, das unter dem Motto „Beware! Post modern architecture will fool you! Is there a place for human beings in a modern urban society?” unmissverständlich politisch Stellung bezog. Rückblickend klingt der Titel des Festivals fast schon ein wenig prophetisch, schließlich sollte der Bau eines Einkaufszentrums an der Stelle des beliebten Taksimparks den Stein für die blutigen Proteste 2013 ins Rollen bringen. Das Motto des Street Art Festivals im gleichen Jahr lautete im Übrigen: „Golden Age: The Rise of Humanity“. Man muss wohl kein Schelm sein, um auch hier an eine politische Stellungnahme zur Freiheit (wenn manchmal auch nur im Kopf) zu denken. Ob es auch 2014 ein Street Art Festival in der türkischen Hauptstadt geben wird, scheint noch in den Sternen zu stehen. Ankündigungen im Internet finden sich (hoffentlich noch) vergebens. Dafür haben wir etwas anderes entdeckt, dessen bloße Existenz zeigt, wie beeindruckend lebendig, engagiert und vielfältig die Istanbuler Street Art Szene ist.

Die Street Art App in Istanbul

Erbil Sivaslioglu, engagierter Start-upper voll kreativer Ideen und Bewunderer der besonderen Street Art seiner Heimatstadt schuf mit seinem Kumpel Onir und  Mitstreiterin Esra im letzten Jahr eine kluge, kleine App, die es Menschen ermöglichen will, die vielen feinen, aber verstreuten Kunstwerke der Stadt auf eigene Faust zu entdecken. In der App sind auf einer Stadtkarte die  verschiedenen Bilder verzeichnet. Zu jeder Arbeit gibt es eine Beschreibung auf Englisch. Darin wird die Entstehungsgeschichte genauso erläutert wie die Motivation und die Botschaft des Künstlers. Selbstverständlich gibt es reichlich Infos zur Istanbuler Street Art Szene aber auch zu den Stadtvierteln, in denen sich die Kunst befindet. Über Facebook und Instagram lässt sich eine Liste der Lieblingswerke erstellen, die man allerdings noch nicht in seinen privaten Netzwerken teilen kann (auch möglich, dass es die Autorin nicht geblickt hat).

Die Street Art Istanbul App ist so erfolgreich, dass  sich Erbil, Onir und Esra einiges in nächster Zeit vorgenommen haben. Es sollen weitere Apps für New York und London auf den Markt kommen. Das wird ja auch Zeit, mag man sich da denken. Bis es soweit ist, bleiben wir aber bei der Istanbuler Street Art und schauen uns beeindruckende Werke voller Inspiration und Kreativität an, die uns begeistert und staunen lassen.

Und nach einer Weile bemerken wir, dass wir uns ganz abseits eines merkwürdigen Ministerpräsidenten und  so einigen kulturellen Missverständnissen ein bisschen freier im Kopf gemacht haben.

Von: Anna Kratzert

Quellen:

http://www.erbils.com/StreetArt-Istanbul

http://www.streetartistanbul.com/

Bilder:   

https://www.facebook.com/streetartistanbulapp

 

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