Als Druck- und Medienblog beschäftigen wir uns heute mit dem Medium „Musik“. Viel Spaß dabei!
Wie habt ihr mit Intro angefangen?
Matthias Hörstmann: Der Ursprung und Antrieb zum Start vom Intro ist einfach zu erklären: Ich wollte mich und meine Begeisterung als leidenschaftlicher Musik-Fan möglichst vielen Menschen mitteilen – und habe dafür neben meiner Tätigkeit als DJ und Konzert-Booker/Veranstalter im Landkreis Osnabrück nach einem weiteren „Sprachrohr“ gesucht.Das erklärt auch die ungewöhnliche Idee für den Start eines kostenlosen „Fanzine“ – denn so konnte ich direkt viel mehr Leser/Musik-Interessenten/Gleichgesinnte erreichen! Der Name „Intro“ steht bezeichnenderweise für das Ursprungs-Vorhaben „neue Musik vorzustellen“ (engl.: „to introduce“), statt mit dem Prinzip journalistischer Überheblichkeit andere „belehren“ zu wollen.
Gab es damals schon langfristige Pläne?
Matthias Hörstmann: Das sich alles so erfolgreich entwickelt hat, war keinesfalls absehbar. In den ersten Jahren wurde Intro vielfach belächelt. Dies hat mir zusätzlichen Antrieb und einen noch stärkeren Glauben und Willen gegeben, nicht aufzugeben, sondern zu kämpfen und an der Berufung und Vision festzuhalten. In jedem Fall war ich damals in gewisser Weise glücklicher und stolzer, als es mir bewusst war. Nur so ist zu erklären, wie ich die enormen Strapazen und finanziellen Risiken auf mich genommen habe. Ich habe einfach nur gemacht, war buchstäblich „BESESSEN & GETRIEBEN“! Eins steht fest: Ohne die große Bereitschaft zur ehrenamtlichen/unentgeltlichen Mitarbeit – nach dem Motto: „just for fun“ – und den Antrieb, „aus purer Lust und Leidenschaft“ mit Gleichgesinnten etwas auf die Beine zu stellen, einfach nur „mitmachen/mitgestalten“ und die eigene Begeisterung/Euphorie (mit)teilen zu wollen, ohne dafür die klassischen Voraussetzungen/Qualitäten/Referenzen erfüllen zu müssen, um sich erst damit für einen „normalen“ und entsprechend bezahlten Job (egal ob als Autor, Redakteur, Anzeigenverkäufer oder Vertriebshelfer) qualifiziert zu haben, hätte es Intro nicht gegeben.
Was waren aus deiner Sicht die Meilensteine in der Entwicklung des Intro?
Matthias Hörstmann: Generell kann die „Intro-Geschichte/Evolution“ in drei „Episoden/Entwicklungsphasen“ mit direktem Bezug auf die jeweiligen Standorte dargestellt werden:
1991-94: „Frühphase: Hobby zum Beruf gemacht“ – „Homestory auf dem Bauernhof“ (inkl. lustiger Anekdoten, die zu legendären Ereignissen wurden),
1995-99: „Professionalisierungs- und Etablierungs-Phase“ – Bezug des ersten „echten“ Büros mit Festanstellungen in der „Großstadt“ Osnabrück,
2000-12: „Expansionsphase“ – Intro zieht in die Metropolen (erst Köln, dann auch Berlin) und behauptet dort seine Position als „Marktführer und Meinungsmacher“. Aus den zahlreichen Aktivitäten und Verlags-Nebengeschäften entwickeln sich erfolgreiche Projekte zu eigenständigen Geschäften/Gesellschaften mit schillernden Marken – wie z.B. das Fußballmagazin „11 FREUNDE“ (Einstieg in 2002), „MELT! Festival“ (2004), „MELT! Booking“ (2007), die Kreativagentur „GEMEINSAME SACHE“ (2008) und das „BERLIN FESTIVAL“ (2009), die allesamt im letzten Jahr unter dem gemeinsamen „Dach“ einer Unternehmensgruppe als „Kompetenznetzwerk für Popkultur“ vereint wurden.
Welche Dinge sind gescheitert und welche Dinge würdest du als große Erfolge bezeichnen?
Matthias Hörstmann: Es war ein langer steiniger Weg zum Erfolg. Das kann ich mit Fug und Recht sagen. Die ersten fünf Jahre habe ich gar nicht realisiert, welch große Risiken hinsichtlich wirtschaftlichen und körperlichen Existenzerhaltes man eingegangen ist. Niemand hatte mir und dem Intro damals zugetraut, dass es überhaupt so lange überleben würde, geschweige denn eine führende Rolle am Zeitschriftenmarkt übernehmen würde. Aber es hat geklappt! Erfolg führt zu Wachstum und Geschäft, was an sich ja nicht schlecht ist, aber zwangsläufig leider immer auch Schattenseiten mit sich bringt. In meiner ständigen Getriebenheit habe ich erst spät die schmerzhafte Erkenntnis machen müssen, dass Erfolg auch Neid und Missgunst im harten Geschäftsalltag mit sich bringt, was leider oft auch Macht- und Überlebenskampf bedeutet, den die Marktwirtschaft mit ihrem Prinzip des „Verdrängungs-Wettbewerbs“ abverlangt, wenn man langfristig im harten Business bestehen will. Dies einzusehen und die Spielregeln anzunehmen – und dabei gleichzeitig seinen eigenen Idealen treu zu bleiben –, ist eine schwierige Gratwanderung, die ich beständig mit der richtigen Balance zu meistern versuche.
Wie wichtig ist dabei denn der Faktor „Beruf als Berufung“?
Matthias Hörstmann: Generell aber ist das Prinzip der „Selbstverwirklichung“ etwas für mich sehr schönes. Die positive Erfahrung und zugleich große Bestätigung, dass man dafür belohnt werden kann, wenn man nur stark genug an eine Sache glaubt, sie mit der nötigen Ausdauer und Willensstärke verfolgt, sich auch nicht von Rückschlägen beirren lässt und schließlich andere von der eigenen Idee und Überzeugung anstecken und mitreißen kann. Eines ist sicher: Alleine hätte ich all das niemals erleben und erreichen können! Ich bin mir bewusst, welch großes Glück ich dabei hatte – aber auch, welch großes Privileg es ist, wenn man ein „Hobby“ zu einem erfolgreichen Beruf machen und davon sogar „eine Familie ernähren“ kann.
Warum habt ihr überlebt? Immerhin gilt „gratis“ ja nicht gerade als Erfolgsmodell und Mitbewerber wie das unclesally*s mussten schon aufgeben.
Matthias Hörstmann: Die kostenlose Verbreitung von Intro war und ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal, der sogenannte „USP“ und ein Novum am Markt. Wo erhält man denn bitteschön sonst noch derartige Qualität ohne dafür zahlen zu müssen? Wir haben es gewagt und geschafft, dem allgemein verbreiteten schlechten Ansehen und Ruf von Gratis-Medien („kost’ nix – taugt nix!“) mit dem dafür erforderlichen Mut zu begegnen und zu dementieren. Darauf bin ich stolz. Wir haben das auch immer als Manifestation unserer Unabhängigkeit gesehen und kommen auch aus einer DIY-Tradition, die Anfang der Neunziger weit verbreitet war. Und wir hielten den Schritt, plötzlich Geld dafür zu verlangen, nie für den richtigen. Und wir haben an abschreckenden Beispielen wie dem Untergang der „Frontpage“ (die Älteren erinnern sich…) gesehen, dass es nicht so einfach ist. Dass es bei uns eine vermeintlich größere Abhängigkeit zu den Anzeigen-/Werbeerlösen gibt, als bei den Wettbewerbstiteln am Kiosk, ist ein immer noch weit verbreiteter Irrglaube. Ein vielleicht noch entscheidenderer Unterschied zu den Wettbewerbern ist aber sicherlich, dass wir uns mit dem über die Jahre stetig gewachsenen Team, ständig weiter entwickelt haben und dabei immer wieder neue Herausforderungen gesucht, gefunden und gestellt haben. Die Intro-Entwicklung gleicht dem Prinzip eines Evolutions-Prozesses mit ständiger Verpuppung in Form von neuen Marken und Geschäften, die Teil einer immer größer werdenden Familie wurden.
Trotzdem ist ja gerade der Musikmarkt extrem eingebrochen.
Matthias Hörstmann: Dass die CD-Verkäufe sinken, ist ja keine neue Erkenntnis. Insofern spielt das für uns keine große Rolle, auch wenn der Anteil des Invest aus der Musikindustrie in Intro immer weiter sinkt. Intro hat sich bereits 1998 in einem umfassenden Relaunch deutlich breiter aufgestellt und ist eher „general interest“ für jungen Lifestyle oder – besser – Popkultur als Ganzes: Musik, Film, Mode, Technik, Games, Kunst, Design sowie auch allgemeinere, sozialpolitische Themen und übergreifende Reportagen. Das hat uns rückwirkend betrachtet vielleicht sogar gerettet, da wir eben nicht „nur“ als Musikmagazin wahrgenommen werden – auch wenn unser Schwerpunkt natürlich noch immer Musik ist und bleiben wird. Der Markt der Musikmagazine ist vermutlich ein schwieriger in Zeiten sinkender Print-Budgets. Weil die Annahme, dass man ebenjenen Konsument besser im Netz erreichen kann, weit verbreitet ist. Na klar kann man dort Musik hören und sogar sehen. Aber die journalistische Auseinandersetzung mit musikalischen und popkulturellen Entwicklungen auf durchaus hohem Niveau lässt sich via Print nach wie vor besser kommunizieren und konsumieren. Auch hier hat Intro einen Sonderstatus. Zum einen, weil wir seit jeher kostenlos erscheinen und sowohl unsere Auflage wie auch Auslagestellen selbst bestimmen können, zum anderen, weil wir den Konsument traditionell eben nicht zur Kasse bitten. Deshalb hat Intro eine andere Akzeptanz oder Wahrnehmung bei Lesern und Kunden – sowie auch eine höhere Reichweite. Vielleicht hat Intro auch deshalb die „Printkrise“ nicht so hart getroffen wie andere Magazine, weil wir vergleichsweise ungefährliche Umsatzrückgänge in 2009 / 2010 gehabt haben – und mittlerweile sogar wieder eine positive Tendenz aka Wachstum.
Wofür steht die Marke „Intro“ aus deiner Sicht heute?
Matthias Hörstmann: Intro ist es gelungen, sich langsam, aber behutsam und kontinuierlich – quasi „aus sich selbst heraus“ – zu einer „Marke mit Profil“ weiter zu entwickeln, hat sich dabei immer wieder „neu erfunden“ und sich den Status eines anerkannten und wichtigen „Meinungsmacher-Organs in Sachen Popkultur“ (als Medium/Organ und Initiator/Events) erarbeiten und diese bis heute bewahren können. Dies ist umso beachtlicher, wenn man bedenkt dass Intro ein kostenloser Titel ist und wenn man sich die anderen Gratis-Titel anschaut. Nicht vergessen darf man, dass Intro nie nur Magazin bzw. Verlag war, sondern sich über die Jahre viele zusätzliche Standbeine geschaffen hat, zum Beispiel im Bereich Konzerte und Events. Da macht es dann auch die Summe der einzelnen Teile.
Wie hoch ist der ungefähre Anteil des Umsatzes durch das Heft bzw. intro.de?
Matthias Hörstmann: In der Rückschau war vom Rekordergebnis in 2006 ein stetiger Umsatzrückgang zu verzeichnen, der in 2010 seinen Tiefpunkt erreichte. Seit letztem Jahr verzeichnen wir wieder deutlich gestiegene Umsätze, was aber insbesondere auf das Erschließen neuer Geschäftsfelder (Advertorials, Corporate Publishing etc.) und den Aufschwung im Digitalmarkt (Website, Apps etc.) zurückzuführen ist. Vom klassischen Anzeigengeschäft könnten wir bei weitem nicht mehr kostendeckend arbeiten. Der Fortbestand des Magazins war nicht wirklich gefährdet, weil Intro eben nicht nur ein Magazin ist. Natürlich soll das nicht bedeuten, dass wir Intro als ständiges „Zuschussgeschäft“ sehen, aber wir sind etwas unabhängiger von reinen Ad Sales.
Welche Schritte macht ihr, um euch für die Zukunft aufzustellen?
Matthias Hörstmann: Wir leben bekanntlich in einer immer schnelleren Zeit des Wandels und Umbruchs. Dies gilt insbesondere für die Kommunikation, Mediennutzung und die Distribution von Musik. Durch die vielen attraktiven Möglichkeiten, die das digitale Medien-Zeitalter und das Internet bieten, hat sich alles völlig gewandelt. Darauf müssen zwangsläufig auch alle Anbieter reagieren, die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkennen und entsprechend handeln, um den sich ständig verändernden und sehr individuellen Bedürfnissen mit medium-/formatgerechten journalistischen Angeboten auch weiterhin gerecht zu werden. Ich sehe es als echte Herausforderung und große Chance, die das neue Medien-Zeitalter mit sich bringt. Deshalb haben wir uns schon sehr früh darum bemüht, neben dem monatlichen Printmagazin, auch die digitalen Kommunikationsformate (eigene Website seit 1996, wöchentlicher Newsletter seit 1997, individualisierte Angebote mit User-Profil und Foren seit 2000 und seit letztem Jahr auch mobile Angebote/Service Website, iPhone- sowie iPad-App und Präsenz innerhalb der sozialen Netzwerke wie Facebook, Twitter etc.) für tagesaktuelle Berichterstattung und individualisierte Service- und Infotainment-Angebote zu nutzen. Somit sind wir für die Zukunft gut aufgestellt und profitieren auch hier davon, schon früh den nötigen Mut zur Investition in „neue Medien“ bewiesen zu haben. Wenngleich auch wir bis heute noch nicht die erforderlichen Umsatzerlöse aus dem digitalen Geschäft erwirtschaften konnten, um kostendeckend zu arbeiten, bin ich dennoch sehr zuversichtlich, dass uns dies in absehbarer Zeit gelingen wird.
Bleibt die Intro langfristig als Printmagazin bestehen?
Matthias Hörstmann: Wir sind grundsätzlich immer in Bewegung, geben uns nie mit dem Erreichten zufrieden, haben immer neue Ideen und Pläne, sind ständig auf der Suche nach Lösungen, wie/wo/was noch besser werden kann. Konkreter: Die Intro-iPad-App läuft bereits seit einem Jahr sehr erfolgreich im App Store und wird stetig ausgebaut. Der Umstieg auf eine wöchentliche Erscheinungsweise unserer iPad-Ausgabe, unsere mobile Website sowie die Priorisierung unserer Web- und Social-Media-Angebote trägt unserem Motto „Digital First“ Rechnung. Mittelfristig wird es unsere Inhalte auch für Android basierte Endgeräte geben. Neben redaktionellen Inhalten und Bewegtbildformaten werden wir in Zukunft auch flächendeckendes Musikstreaming anbieten. Intro entwickelt sich somit zunehmend zu einem digitalen Mediendienstleister, wobei einen unserer Schwerpunkte der mobile Bereich darstellt. Externe Medien haben bereits Interesse an unseren Technologien und Dienstleistungen bekundet.
Somit sind wir für die Zukunft gut aufgestellt und profitieren auch hier davon, schon früh den nötigen Mut zur Investition in „neue Medien“ bewiesen zu haben. Wenngleich auch wir bis heute noch nicht die erforderlichen Umsatzerlöse aus dem digitalen Geschäft erwirtschaften konnten, bin ich dennoch zuversichtlich, dass uns dies in absehbarer Zeit gelingen wird.
Trotzdem glaubst du auch noch an Print?
Matthias Hörstmann: Ja, Ich bin davon überzeugt, dass es auch in Zukunft erfolgreiche Printmedien (egal ob Magazine oder Zeitungen) geben wird – allerdings mit anderer Funktion als bisher und nur in funktionierender Kombination mit digitalen Formaten. Medien werden immer mehr zu Marken, die formatübergreifende Kommunikation und Dialoge mit ihren Lesern/Usern in allen Lebenslagen bieten müssen, um sich damit langfristig am schnelllebigen Markt behaupten zu können!
Gibt es Pläne für weitere neue Magazine wie zuletzt die Aufnahme eines deutschen Ablegers des „Sneakerfreakers“? Oder werden eher andere Sparten des Intro Verlags ausgebaut?
Matthias Hörstmann: Wie bereits beschrieben, wird der digitale Bereich immer weiter ausgebaut werden. Eines unserer aktuellen Magazin-Projekte ist Bolzen, das es vor Jahren bereits als Printausgabe gegeben hat. Bolzen (bolzen-online.de) ist DAS Online-Magazin für Freizeitfußball, zeigt wo die besten Kneipen fürs Rudelgucken zu finden sind, wo man selbst kicken kann und vieles mehr. Wir haben natürlich noch so manch andere Idee in petto, und auch 2012 darf man von uns noch die eine oder andere Überraschung erwarten – aber es soll ja spannend bleiben, deshalb wird hier nicht alles verraten.
Watch out for us – da geht was!