Neue Bezahlmodelle für Online-Zeitungen zaubern Web-Usern die Sorgenfalten auf die Stirn, während die großen Medienkonzerne munter nach der Musterlösung suchen.
Egal, ob auf Arbeit, in der Schule oder abends vor dem TV: Fragen haben wir täglich. Interessante Fragen, spannende Fragen, ja selbst lästige Fragen begegnen uns jeden Tag zuhauf. Wie gut, dass es da doch die Patentlösung gibt: PC an, rein ins weltweite Netz und schon wird uns die Antwort bequem per Suchmaschine auf dem Silbertablett serviert. Kostenlos.
Haben wir dann noch Bedarf an Wissen oder den neuesten Neuigkeiten, bleiben wir ganz einfach vor dem PC sitzen und surfen bequem durch die Weiten des Internets. Hier ein Zeitungsartikel, da ein Kommentar. Kostenlos.
Doch genau damit soll jetzt Schluss sein: Neue Online-Bezahlmodelle sollen das El Dorado für Internetnutzer nur noch gegen Wegzoll passierbar machen. Die Vielfalt der frei genießbaren Artikel soll drastisch eingeschränkt werden. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: fleißige Verfasser schreiben Artikel um Artikel, tausende Leute lesen diese – und niemand bezahlt dafür.
Will man nun also weiter wie bisher surfen und mal hier, mal da eine Welle reiten, so könnte das zukünftig ziemlich teuer werden. Und „teuer“ ist ein Wort, welches von den Web-Usern stets gar nicht gerne gehört wird. Doch so sehr Surfer ihre Wellen auch lieben, so gefährlich sind doch zu viele, zu hohe Wellen: zwar zeigt uns eine Suchmaschine zigtausende Infos über ein gewünschtes Thema an, doch sortiert sie diese nicht nach Informationsgehalt. Somit surfen wir oft unnütz, vergeuden Zeit mit schlechten oder schlicht unpassenden Artikeln und beginnen, Berichte und Informationen lediglich zu überfliegen. Wer kann schon von sich behaupten, dass er stets die aufgerufenen Artikel gründlich von A bis Z liest? Und hierin birgt sich die Gefahr des grenzenlosen Internets samt seiner Informationswelle: Verlust von Aufmerksamkeit, Feinfühligkeit und dem Augenmerk fürs Wesentliche.
Genau diese Gefahr bietet allerdings den Ansatzpunkt für die Bezahlmodelle. Ein Surfer, dem nur die besten Wellen präsentiert werden, ist wohl durchaus bereit, dafür zu bezahlen. Statt der bislang gewohnten Quantität an Informationen und dem damit verbundenen Aufwand, die wertvollsten herauszufiltern, müsste man ihm also geballte Qualität bieten. Die Medienbranche kann dem Internet zu einem neuen Look verhelfen, wenn sie denn nur genügend Qualität mitbringt und ihre Artikel mit fundiertem Wissen und rhetorischen Prachtstücken ausschmückt.
Leider scheint es gerade in Amerika zur Mode geworden zu sein, viel Zeit auf der Suche nach dem geeigneten Bezahlsystem zu verbringen und dabei das zu Bezahlende zu vergessen. Etliche Bezahlmodelle wurden ausprobiert, verworfen, überarbeitet und wieder verworfen. Zahllose Experten wurden befragt, bezahlt und ohne Ergebnis wieder gehen gelassen. Gespart wurde oft nur an einer Stelle: der Redaktion. Dass das tödlich für eine Zeitung, vielleicht sogar für eine ganze Branche ausgehen kann, muss hier nicht extra erwähnt werden. Freilich bleibt vielen Zeitungen nichts anderes übrig, als einen Sparkurs zu fahren, fallen doch zunehmend Einnahmequellen wie Kleinanzeigen oder Annoncen weg. Doch wenn dieser Sparkurs in erster Linie am Herzstück einer Zeitung, ihren Redakteuren, zur Anwendung kommt, drängt sich einem schnell die alte Wendung vom zu Tode sparen auf.
Denn auch hier kann wieder nur gelten: Qualität ist die Chance. Ob für „kleine“ Zeitungen, regionale Zeitungen oder Fachzeitschriften: Qualität ist die Chance. In einer Gesellschaft, in der vieles umsonst ist, ist die einzige Möglichkeit, sich abzuheben, herauszuragen.
Auch Surfer mit dem Meer genau vor der Haustür nehmen Strapazen auf sich, um zu besseren Wellen zu gelangen. Ihr Ziel bei einem Flug in die Karibik ist nicht die Karibik, sondern die Wellen, die sie dort vorfinden. Das Ziel der Medien auf dem Weg ins Internet sollte also nicht das Internet selbst sein, sondern die Art, wie sie darin vertreten sind, was darin von ihnen zu finden ist. Auch kleinere Zeitungen können also den Weg ins Internet getrost wagen, wenn sie qualitativ dafür gerüstet sind.
Doch wie rüstet sich eine vergleichsweise kleine Zeitung nun für den Kampf gegen eine derart erdrückende Anzahl von Konkurrenten?
Bei einem Blick in die Waffenkammer springt einem die größte Trumpfkarte kleinerer, regionaler Zeitungen sofort ins Auge. Eine Waffe, die auf keinem Schlachtfeld im Cyberspace errungen werden kann: regionale Verbundenheit. Gerade in kleineren bis mittelgroßen Städten und ländlicheren Gegenden ist die Zeitung immer noch das Informationsmedium Nummer 1. Logisch, der Spielbericht des Lieblingsclubs aus dem Heimatort findet sich ja auch nicht im Internet. Auch das Dorffest wird dort nicht angekündigt. Selbst die Trunkenheitsfahrt des Nachbarn wird nur selten den Weg in die Weiten des Internets finden und so ist es doch die morgendliche Zeitung, die den Leser mit all diesen Informationen versorgt. Und er dankt es ihr. Täglich.
So wichtig also die Besinnung auf die Region ist, so wichtig sind doch auch gelegentliche Blicke über den Tellerrand hinaus. Der Euro ist in Gefahr, das wissen alle – doch nur die wenigsten kennen die Details. Keiner schlägt sich gerne zum Frühstückskaffee durch einen Artikel voller Hiobsbotschaften, Fremdwörter und Schachtelsätze. Eine klare, verständliche und erklärende Sprache könnte hier der Schlüssel zum Erfolg sein. Damit das Lesen nicht nur Information bringt, sondern auch wieder Spaß macht.
Spaß für Jung und Alt. Denn auch die junge Generation liest Zeitung. Zugegeben, nicht immer aus reinem Interesse. Manchmal auch nur, weil die Zeitung einfach gerade auf dem Frühstückstisch liegt. Damit sie dort nicht liegenbleibt, muss sie Lust auf mehr machen. Interessant sein, vielleicht sogar ein wenig spannend. Eine „junge Seite“, am liebsten gleich mehrere. Jung sind ja nicht nur ABC-Schützen, sondern auch Teenager oder Junggebliebene. Alle wollen ihr eigenes Angebot. Wer die „Generation GameBoy“ als lesefaul bezeichnet, der muss ihr auch Lesestoff anbieten. Es ist ein Leichtes, zu monieren, dass die Jugend von heute nicht mehr liest. Doch diese Kraft sollte besser verwendet werden, um sie zum Lesen zu bewegen. Denn wer jung keine Zeitung liest, wird sie alt auch nicht mehr lesen wollen.
Das Lesen-Wollen ist ja schließlich das Entscheidende. Man will auch keine Artikel lesen, die beim Surfen am Tag zuvor sowieso schon ins Auge stachen. Zumindest nicht, wenn sie genau so kurz sind. Ein Artikel, welchen man schon gelesen hat, erscheint hingegen erweitert um Hintergrundinformationen, Erfahrungsberichte oder historische Daten gleich in einem völlig anderen Licht. Ist es nicht das, was wir täglich von unserer Zeitung fordern? Mehr Informationen, mehr Wissen? Schlicht: Qualität?
Die Tatsache, dass Millionen von Menschen jeden Tag online nach News suchen und dort mit tausenden Angeboten überschüttet werden, bietet für einen Anbieter, der Qualität feilbietet, weitaus mehr Chancen als Gefahren. Qualität wird honoriert. Und es war noch nie vorher so leicht, eine derart große Anzahl an Klienten in derart kurzer Zeit zu erreichen.
Dem spielen auch die „E-Books“ in die Karten; ein schon totgesagter Trend, der jetzt wohl mehr als nur seine Renaissance feiert. Denn mit diesen handlichen, digitalen Begleitern ändert sich nicht nur die Art und Weise des Lesens, sondern auch die Mobilität. Wer früher keine Zeitung zur Hand hatte, kann sie jetzt bequem auf seinem E-Book überall hin ohne lästiges Falten oder Zusammenknüllen mitnehmen. Vorbei die Zeiten, zu denen man am Frühstückstisch oder in der U-Bahn lesen musste. Von nun an kann immer gelesen werden, ohne Blättern, geräuschfrei und blitzschnell. Dafür muss nicht einmal der Weg zum Kiosk auf sich genommen werden.
Die Weichen für den nächsten Schritt im digitalen Zeitalter stehen also gut, es bleibt lediglich abzuwarten, mit welcher Verspätung und welcher Ladung der Zug sie passiert. Denn das Entscheidende ist nicht der Zug, sondern seine Ladung.